Die fünfte Auflage innerhalb eines Jahrzehnts seit dem ersten Erscheinen 2011 – natürlich aktualisiert! Das ist schon eine Reputation für sich – ein hilfreiches Handbuch in der Epoche der Digitalisierung.
Vielleicht ist es anregend, zuerst den Abschnitt „Abkürzungen und Begriffe“ (S. 525– 550) durchzusehen, denn dort findet sich das Vokabular, das im Text verwendet wird. Es gibt Orientierung, über welche Begriffe man selbst verfügt, und welches Neuland betreten wird. Wahrscheinlich ist es überraschend und motivierend, wie viele der Abkürzungen und Begriffe – durchwegs nicht einheitlich definierbar – schon im pädagogischen und allgemeinen Sprachgebrauch angesiedelt sind und verwendet werden. Nun können sie überprüft und gesichert eingesetzt werden.
Das Handbuch hat einen umfassenden Anspruch – es will alle Bildungsinstitutionen von Schulen bis zu Universitäten sowie alle dort Lehrenden und Lernenden im Spektrum von beruflicher bis wissenschaftlicher Aus- und Fortbildung unterstützen, E-Learning zu konzipieren und anzubieten.
Die HerausgeberInnen heben ihre kritische Sichtweise auf virtuelle Bildungsangebote und -prozesse hervor. Nicht getragen von einer naiven Euphorie, sondern basierend auf dem aktuellen Stand der Forschung und unter Auswertung vielfältiger Erfahrungen aus der Praxis ist der vorliegende Band entstanden. Als zentrale Zielsetzungen in der Behandlung des Themas „Virtuelle Bildungsangebote“ werden hervorgehoben (S. 15):
– der Blickwinkel verschiedener Akteure, aber auch ihr Zusammenwirken und ihre Koordination werden berücksichtigt;
– der Text wird anwendungsorientiert und wissenschaftlich begründet verfasst;
– eine pädagogische Perspektive auf alle Handlungsfelder und auf die Entwicklung der Bildungsressourcen wird eingenommen;
– es besteht eine Orientierung an evidenzbasierter Evaluation.
Übergreifende Zielsetzung ist es, „die Wege zu Implementierung und Qualitätssicherung der virtuellen Bildungsangebote für einen erfolgreichen Erwerb von Handlungskompetenzen in gelingenden Bildungsprozessen aufzuzeigen“. (S. 16).
Das Handbuch ist durch elf thematische Schwerpunkte strukturiert. Sie reichen von „Bildung mit E-Learning“ über „Bildungsressourcen“, „Qualitätsmanagement“, „Evaluation“, „Rechtsgrundlagen“ bis zur „Implementierung“. Die Lektüre hält, was die Zielsetzungen versprechen: wissenschaftlich belegt und praxisorientiert.
Das Buch kann man relativ unabhängig in seinen einzelnen Abschnitten lesen oder als Nachschlagewerk nutzen. Jedes große Kapitel schließt übrigens mit einer Zusammenfassung, einem „Fazit“: das hilft den Überblick zu bewahren. Ausnahme bildet der Abschnitt: „Kompetenzen für Lehren und Lernen“, er endet mit „Herausforderungen“. Es sind drei, denen sich das Lehren und Lernen im virtuellen Lehrraum gegenübersieht. (Vgl. S. 303 f.):
– Kompetenzdiskrepanzen überwinden – Lernende durch Informationen, Medien und Personen (TutorenInnen und ExpertenInnen) unterstützten;
– E-Teaching- und E-Learning-Kompetenzen erwerben – bereits am Beginn und während der virtuellen Lernprozesse das neue pädagogische Verhältnis klärend und begleitend fördern;
– TutorenInnen einsetzen – didaktisch, organisatorisch, individuell und fachlich vermittelnde Personen stehen vor neuen Aufgaben, in denen sie individuelle und kooperative Lernprozesse moderieren.
Ein Schlüsselproblem der Implementierung von E-Learning ist die Professionalisierung von Lehrenden. Die AutorenInnen gehen davon aus, dass sich die bisher von Lehrenden bestimmten Lehr- und Lernprozesse in Richtung gemeinsam und selbstorganisierte Prozesse verändern werden. Schlussfolgerung (S. 21): „Eine weitere Demokratisierung von Bildung für alle Menschen ist daher möglich.“
Wie Lehrende einschließlich Planer diesen Weg für weitere Demokratisierung und Freiheit für Lernende gestalten, ist große Herausforderung und Fragezeichen an künftige Entwicklungen zugleich. Lehrende scheinen offensichtlich keinen Bildungsauftrag mehr zu haben. Bildung löst sich auf (S. 27 f.) in Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz ergänzt durch Zeit- und Raumkompetenz! Was geht verloren? Was wird gewonnen? Diese Reflexion ist außerhalb des Handbuchs angesiedelt.
Ganz wenig Beachtung wird auch der Frage eingeräumt, was E-Learning zum „gläsernen Menschen“ beiträgt. Seine Lernwege, was und wie er lernt, seine Erfolge, sein Scheitern, werden künftig nicht nur ständig zu verfolgen sein, sie sind wohl unauslöschlich im Netz verankert.
Nichtsdestotrotz: Das hilfreiche Handbuch begleitet solide auf dem bereits eingeschlagenen Weg der Digitalisierung von Bildungs- und Lernprozessen. Die kritischen Fragen an den Verlauf dieses Weges und an seine Herausforderungen sollten aber weiterhin individuell und kooperativ gestellt und bearbeitet werden. //
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