Erwachsenenbildung: Vielfalt bewahren und Demokratiebildung fördern

Im aktuellen Regierungsprogramm1 finden sich so viele Arbeitsvorhaben und Ziele für Erwachsenenbildung wie dies schon lange nicht mehr der Fall war. In einem eigenen Unterkapitel „Lebensbegleitendes Lernen“ sind mehrere Vorhaben formuliert, die sich expliziert auf die Erwachsenenbildung beziehen. Demnach soll das lebensbegleitende Lernen im Bildungssystem gestärkt werden: Neufassung der gesetzlichen Grundlage um Erwachsenenbildung als Teil des Bildungssystems zu verankern sowie eine stärkere strategische Ausrichtung und „gesamthafte Steuerung der Erwachsenenbildung“. Die LLL:2020 – Strategie zum lebensbegleitenden Lernen soll in einem partizipativen Prozess weiterentwickelt werden, wie auch an der Umsetzung der Validierungsstrategie weitergearbeitet werden soll. Weiters sind vorgesehen: ein Bibliotheksentwicklungskonzept, die Weiterentwicklung der Initiative Erwachsenenbildung und die Sicherstellung nationaler Mittel für Bildungsmaßnahmen. In anderen Kapiteln des Regierungsprogrammes finden sich zahlreiche weitere Maßnahmen, die die Erwachsenenbildung tangieren.

Gleich in der Präambel des Regierungsprogrammes wird „echte Chancengleichheit“ erwähnt und als eines von acht gemeinsamen Zielen die „beste Bildung für alle“ genannt. Auch geht es der Bundesregierung darum, das Vertrauen in die Politik und in die demokratischen Institutionen zu stärken.

Entscheidend wird allerdings sein, wie die Bundesregierung in welcher Form und Ausprägung diese und andere Vorhaben und Ziele umsetzen wird, aber das Regierungsprogramm gibt der Erwachsenenbildung einen Stellenwert, der sich hoffentlich auch in einer entsprechenden Dotierung manifestieren wird.

In den Editorials unserer Zeitschrift weisen wir regelmäßig auf die gesellschaftlich relevanten und wirksamen Funktionen der Erwachsenenbildung für das Zusammenleben, für Chancengleichheit und Durchlässigkeit sowie für Höherqualifizierung, Innovation und Produktivität hin. Vor dem Hintergrund des aktuellen Regierungsprogrammes ist einzubringen, dass Erwachsenenbildung auch und gerade essenzielle Beiträge für Demokratie leistet und noch leisten kann. Unterstützt wird dies durch ihre flächendeckende Präsenz und ihre guten lokalen und regionalen Verankerung. Alleine die Volkshochschulen sind in österreichischen Gemeinden tätig, in denen zwei Drittel der Bevölkerung wohnen.

Dass Demokratiebildung notwendig und wichtig ist, ist evident. Demokratie braucht DemokratInnen. Und Demokratie kann gelernt werden. Darüber hinaus betrifft Demokratie alle Lebensbereiche; sie gilt für die Familie ebenso wie für das Zusammenleben im Gemeinwesen. Denn Demokratie bezieht die Positionen aller Beteiligten mit ein und sucht nach abgestimmten Lösungen. Und Demokratie ist auch eines der grundlegenden Merkmale der Erwachsenenbildung. In den Volkshochschulen geschieht Bildung nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe, die Teilnehmenden bringen Kompetenzen aus ihrer beruflichen oder auch ehrenamtlichen bzw. gesellschaftsbezogenen Tätigkeit ein und Kursleitende ihre spezifische fachliche und didaktische Kompetenz. Daher eignet sich Erwachsenenbildung insbesondere für Demokratiebildung.

In der Empfehlung des Rates der Europäischen Union2 vom 22. Mai 20183, die sich der „Förderung gemeinsamer Werte, inklusiver Bildung und der europäischen ­Dimension“ annimmt, geht es um aktives bürgerschaftliches Engagement, um die Förderung ­kritischen Denkens und der Medienkompetenz sowie um eine Teilhabe am demokratischen Leben.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Erwachsenenbildung in dieser Funktion unterstützt wird. Natürlich auch materiell, aber nicht nur. Eine Engführung der Erwachsenenbildung in Richtung Beschäftigungsfähigkeit wäre kontraproduktiv. In Hinblick auf die Erwachsenenbildung gilt es daher, ihre Vielfalt nicht nur zu bewahren sondern auch weiterhin zu fördern.

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Schwerpunkt dieser Ausgabe der ÖVH ist Interesseentwicklung und Interesse-geleitete Bildung. Das ist zweifelsohne ein spezifisches Thema der Volkshochschulen. Denn viele TeilnehmerInnen wollen ihren Interessen in der Volkshochschule nachgehen. In den Beiträgen gehen wir noch einen Schritt weiter und diskutieren das Potenzial Interesse-geleiteter Bildung sowie die Frage, wie Interessen gefördert und wie sie entwickelt werden können.

1   https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html [29.02.2020]

2   Rat der FachministerInnen (in diesem Fall der BildungsministerInnen)

3   https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018H0607(01)&from=EN [29.02.2020]

Bisovsky, Gerhard (2020): Erwachsenenbildung: Vielfalt bewahren und Demokratiebildung fördern. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2019/20, Heft 269/70. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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