Bernd Ulrich: Alles wird anders. Das Zeitalter der Ökologie.
Köln: Kiepenheuer & Witsch 2019, 225 Seiten.

In einer einleitenden Passage skizziert Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der ZEIT, wie sich sein ökologisches Bewusstsein entwickelte: als Babyboomer (Selbstbezeichnung) in den 1960er-Jahren im Ruhrpott aufgewachsen, als Teenager erstes bewusstes Wahrnehmen der natürlichen Umwelt, mit Zwanzig involviert in die Proteste gegen das geplante atomare Endlager in Gorleben, Begegnungen mit Basisdemokratie und alternativer ökologischer Ernährung. Nach Abschluss des Studiums politische Tätigkeit bei den Grünen und schließlich Journalist bei der ZEIT. Ende der 1990er Jahre wird er Wegbegleiter der einsetzenden Ökologisierung, widmet ihr seine journalistische Arbeit – und sieht sich selbstkritisch in einer Lebensstruktur, die wenig sensibel für das Klima ist. Das vorliegende Buch, meint der Autor, hat er nicht als „ökologischer Held“ geschrieben, nicht als einer, der „es richtig macht“, sondern als einer, der „es besser machen will als bisher“.

Mit dieser persönlichen Einleitung führt Ulrich zu einer Einsicht: Ohne übergeordnete Klimapolitik verbleiben die Einzelnen, die ökologisch leben, in privatem Heroismus. Mit dem Buch will der Autor, indem er den Blick auf unsere Gesellschaft und Epoche verändert, einen ökologischen Paradigmenwechsel erreichen.

Dazu erörtert er das politische Selbstverständnis in Deutschland. Er spricht von einer Politik der Mitte, als Antwort auf die deutsche Geschichte. Diese erlaubt keine radikalen Abweichungen. Die Maxime „Nahe bei der Mitte bleiben“, stellt er in der medialen Berichterstattung und in der Realpolitik, speziell in den Jahren der Ära Merkel, die selbst einmal Umweltministerin war, fest. Stärker eingreifende Änderungen werden, gleichwohl sie notwendig wären, abgelehnt, weil zu radikal. Dies geschieht einige Jahre später erneut, wo die Interventionen bereits noch radikaler sein sollten, um positive Veränderungen zu erreichen, aus dem gleich lautenden Grund. So entsteht Reformstau. Der deutsche Konsens in der Politik, „nahe bei der Mitte bleiben“, bemängelt Bernd Ulrich, soll unbedingt erhalten bleiben.

Ulrichs Einblicke in die deutsche politische Landschaft, seine Beschreibung des zögerlichen und verzögerten Umgangs mit der Klimakrise sowie seine detaillierten Angaben sind informativ und bedrückend. Ulrich beschreibt eine Welt, „die immer mehr politischen und rhetorischen Aufwand treibt, um immer weniger zu tun.“ (S. 154). Der Autor fordert von uns, erwachsen zu sein, darunter versteht er, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und dessen Folgen zu bedenken. Wir sollen die westliche Sinnkonstruktion nicht zerstören und unseren Kindern keine desolate Natur hinterlassen. Was aber aus der Welt und besonders aus den Ländern werden soll, die bislang vom Verkauf fossiler Energie abhängig sind, vermag der Autor nicht abzuschätzen.

Um Änderungen zu bewirken, schlägt der Autor unter anderem vor, ökologisches Verhalten zu belohnen, politisch Klimafragen ins Zentrum zu stellen, um vorausschauend zu handeln, umweltschädliche Subventionen zu streichen, eine CO2- Steuer einzuführen.

Letztlich bezeichnet Ulrich die ökologische Krise nicht als eine der Natur, sondern als eine unseres Selbstbildes. Unser Egoismus und unser aggressives Verhalten stärken sich durch die bisherige Art und Weise von Produktion und Konsumation, von röhrenden Motoren und vom Fleisch getöteter Tiere. Eine Kultur der Milde ist noch weit entfernt.

Ulrich empfiehlt einen zweiten – nach der bereits erfolgten Emanzipation der Kriegsgeneration – ökologischen Aufbruch zu Gunsten der Jüngeren. Wie dieser genau aussieht, könne er nicht sagen.

Das Buch kann dazu beitragen, die Bremsklötze ökologischer Veränderungen zu analysieren und jetzt handelnden Erwachsenen ihre politische Verantwortung für „die Umwelt“ und die Lebenswelt nachfolgender Generationen bewusst machen. //

Lenz, Werner (2020): Bernd Ulrich: Alles wird anders. Das Zeitalter der Ökologie. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Sommer 2020, Heft 270/71. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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