Radiopreis der Erwachsenenbildung 2018 – Begrüßung

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Wer nichts weiß, muss alles glauben“, der bekannte Aphorismus von Marie von Ebner-Eschenbach hat im vergangenen Jahr eine neue bildungs- und medienpolitische Aktualität gewonnen. Wenn man einer kürzlich von der „Washington Post“ veröffentlichten Bilanz glaubt, hat der gegenwärtig regierende Präsident der USA vom Start seiner Amtszeit (am 20. Jänner 2017) bis zum Jahresbeginn 2018 1950 Mal die Unwahrheit verbreitet. Ganz besonders häufig bei innenpolitischen Lieblingsthemen wie „Obamacare“, oder mit der Behauptung, seine Steuerreform bringe die größte Entlastung aller Zeiten. Aber auch Äußerungen zu global relevanten Fragen wie dem Klimawandel halten einem Faktencheck nicht stand und stellen einen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Grundkonsens über „wahr“ oder „falsch“ in Frage.

Dass die Produktion von „Fake News“ sich zudem mit aggressiver Medienkritik tarnt, ist zu einer besonderen Herausforderung für Medien geworden, die Qualitätsjournalismus hochhalten und dabei politisch und ökonomisch unter Druck geraten oder gesetzt werden. „Fake News“ werden zu einer neuen „Risiko-Kategorie“ der Kommunikation und Wahrnehmung. Sie verbinden sich mit Themen wie Klimawandel, Energiewende und Umweltchemikalien, aber auch mit Flucht und Migration. Von ihrer Sphäre sind auch die Glaubwürdigkeit der Institutionen und die Wissenschaft nicht ausgenommen.

Die fortschreitende Digitalisierung der Medienlandschaft und die Aufsplitterung in immer neue Netzwerke, Plattformen und Vertriebskanäle hat in diesem Zusammenhang sowohl das Potenzial der Korrektur als auch der Verstärkung von Entwicklungen, in denen einzelne Personen oder Gruppierungen sich in ihre jeweilige Blase zurückziehen. Wo sie sich mit selbstreferenziellen, zurückgespiegelten Meldungen, Informationen und Wissenspartikeln in ihrer Weltsicht bestätigen können.

Umso wichtiger wird, wohl nicht nur aus der Sicht eines öffentlich-rechtlichen Informations- und Bildungsmediums, der gesellschaftliche Auftrag und der gemeinsame mediale Raum. Eine Öffentlichkeit, in der sich eine „Weltgesellschaft“ in ihrem „Global Village“ über wahr oder falsch, über Wissen und Nichtwissen verständigen und vergewissern kann. So, dass möglichst viele sich an einem offenen und kritischen Gespräch darüber beteiligen können.

Dass es in diesem Zusammenhang nicht nur darum geht, den Zugang offen zu halten und überprüftes, nachvollziehbares Wissen über Fragen der Gegenwart und Zukunft zu vermitteln, hat die Germanistin Eva Horn im Schlusskapitel ihres Buches „Zukunft als Katastrophe“ ausgeführt. Es gibt, so zeigt sie, auch so etwas wie blinde Reflexivität. Sehen, aber nicht wahrhaben wollen, Wissen, aber nicht Handeln wollen, oder können. Bei Entwicklungen, die in Katastrophen führen können – der Klimawandel ist nur ein Beispiel – ist das Problem oft nicht, dass wir zu wenig darüber wissen, sondern, dass wir nicht glauben, was wir wissen.

Wissen so aufzubereiten und Bildung so zu vermitteln, dass Wissen nicht folgenlos bleibt und Bildung auch Handlungskompetenz miteinschließt, ist, mehr denn je, ein zukunftsweisendes Anliegen der Erwachsenenbildung. Das Radio kann dabei ein wichtiges Medium sein, indem es Theorie mit Praxis, Wissen mit Anwendung und Information mit Diskurs verbindet. Das gilt gerade in einem Jahr zeitgeschichtlicher Jubiliäen, wo die politische Bildung fundierte, neue Sichtweisen auf die Ereignisse, aber keinesfalls alternative Fakten vermitteln sollte.

In diesem Sinne danke ich den OrganisatorInnen des „Radiopreises der Erwachsenenbildung“ für ihr großes Engagement, ihre Wertschätzung und ihre nachhaltige Unterstützung. //

Foto: Michaela Obermair. Alle Rechte vorbehalten

Bernhofer, Martin (2017): Radiopreis der Erwachsenenbildung 2018 – Begrüßung. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2017/18, Heft 263/68. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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